Das Thema Polizei vs. Fusion Festival war ja in aller Munde (wir berichteten hier, hier, hier). Doch bereits in der Vergangenheit gab es Festivals und Events, auf denen mit übertriebenem Polizeiaufgebot die Partystimmung praktisch gekillt wurde. Eines dieser Events war das Love Family Castle im Jahr 2002. Wie der Name schon andeutet, war dieses Event in einer alten Burgruine und eine Schwesterveranstaltung des Love Family Parks. Zwei Mal fand das Love Family Castle in jeweils unterschiedlicher Location statt. Doch nach dem zweiten Mal auf der Burg Ehrenbreitstein bei Koblenz und einem völlig überzogenem Aufgebot der Polizei, vor, um, und im Gelände, wurde die Reihe eingestellt.
Ich war damals vor Ort und konnte nicht glauben, was sich da an diesem Tag auf der Burg Ehrenbreitstein abgespielt hatte. Ich war so abgefuckt, dass ich unter anderem auch ein Satire-Plakat entwarf und einen Augenzeugenbericht verfasste. Hier an dieser Stelle soll es dies alles noch mal als Re-Release geben, um an dieses Ereignis zu erinnern.
Es war Sonntag, der 22.09.2002, 8.30 Uhr morgens und ich spielte gerade den Schluss im Space Place. Die letzten Töne von DJ Sashas „Wavy Gravy“ verklangen und das erste Tageslicht machte sich beim Öffnen des Tors im Space Place (so nannte sich das Tanzhaus West früher) breit. So, nun erst mal ab nach Hause. Schnell geduscht, noch zur Wahl (Bundestagswahl 2002), und der Versuch, ein wenig Energie zu tanken. Dann ging es nach Koblenz zum Love Family Castle.
Erst gegen 13 Uhr bewegten sich meine Begleitung und ich aus Frankfurt weg. Auf der Autobahn dann der erste Schock. Es regnete Hunde und Katzen. Tolle Aussichten für ein Burgfest. Aber egal, als alter Hardcoreraver hatte man schon Schlimmeres überstanden. Ein wenig später kam die Sonne dann doch wieder raus. Mit zwei Red Bull mehr im Blut war man dann um 14.30 Uhr in Koblenz angekommen. Nun die Parkplätze finden und eventuell etwas Chaos erwarten, man war ja schließlich bei Großveranstaltungen einiges gewohnt. Die Parkplätze waren leicht auszumachen und schnell angesteuert.
Doch was war das? Relativ leer sah es hier aus. Zwei nette Jungs drückten uns einen Stadtplan in die Hand und verkündeten, dass man direkt hoch fahren könnte, um zu parken. Na noch besser. Wie genial. Mit dem guten Ratschlag „aufzupassen wegen der Kontrolle der grünen Schlümpfe“ ging es mit dem Plan in der Hand Richtung Festung.
Schlumpfkontrollen waren ja nichts besonderes mehr, das kann einem nach nem normalen Clubbesuch auch passieren und zu verbergen gab es nichts. Aber dennoch fand ich es relativ blöd, vor der Party schon Autos auseinander zu nehmen. Zum Glück konnten wir allerdings an der Kontrolle einfach vorbei. Die waren auch gerade mit zwei anderen Opfern beschäftigt. Nun gut, noch schnell Parkplatzgebühr gelatzt und dann startklar gemacht. Mit Regenschirm, Decke und was man sonst noch so braucht, wurden die alten Gemäuer der Festung Ehrenbreitstein im lockeren Schritt angesteuert.
Yeaaaah… die Baseline war zu hören und wir kamen immer näher. Und da war er… der wohl sicherste Eingang, den eine Party je gesehen hat. Dort Schlumpfenwagen, hier Schlumpfenwagen. Waren wir richtig??? Vielleicht ist nebenan ein internes Polizeitreffen oder so. Hmm.. Ok…. Karte raus, sich abchecken lassen und drinnen.
Endlich geschafft und die lockeren groovigen Töne der Housearea erreichten uns. Schade nur, dass es im Unterschied zum letzten Jahr diesmal keine Wiese war. Aber gut, zum Arschwackeln ist es ja egal, ob auf Grünzeug oder Sand. Dann mal weiter zum Hauptfloor. Ahhhhh, da also ist die Masse… und auch Wiese …. OK, etwas feucht vom Regen, aber egal…. Decke drauf und erst mal relaxen. Die Musik war nett und ein bekanntes Gesicht nach dem anderen lief an uns vorbei. Yeaaaah… die Feierfamily war wieder mal zum großen Teil vorhanden, aber leider nicht nur die.
In Dreier-, Vierer- und Fünfer-Gruppen demonstrierten die Schlümpfe in grün Ihre Anwesenheit. Was soll´n das??? Bombendrohung??? Terrorraver??? Nein. Das war die „wir checken jeden, der so aussieht, als ob er gerade was mit Drogen macht“-Mobile Einsatztruppe. Hallo??? Ja wo bin ich denn hier?? Muss ich jetzt aufpassen, wenn ich mir einen Kaugummi in den Mund schiebe?
JA, MAN MUSSTE AUFPASSEN. Es ist traurig, aber es gab wohl mehr als einen Raver an diesem Tag, der wegen einer falschen Handbewegung mit nach draußen mitgenommen wurde. Man musste echt aufpassen auf das, was man und wie man es machte. Man kam sich wie in einem Hochsicherheitstrakt vor, welcher sogar noch von einem Schlumpfhubschrauber mehrmals abgeflogen wurde. So etwas hatte ich so echt noch nie erlebt.
Nach dem ersten Schock wandten wir uns dann doch erst mal wieder der Musik zu. Die war recht angenehm und man verspürte den Drang, sich bewegen zu wollen. Dies hatte aber auch zur Folge, dass man den Drang verspürte, pinkeln gehen zu müssen. Nur, an welcher der langen Schlangen vor den Toiletten geht’s nun schneller???
Ja ja, das leidige Thema Toilette. Warum gab es nur so wenige? Vielleicht auch eine Auflage der Stadt??? Am Ende liesen die meisten Herren der Schöpfung ihre Notdurft an den Burgmauern nieder. Der Regen wusch es ja eh ab und die Mauern hatten in Ihrer Geschichte sicher schon schlimmeres erlebt. Die Damen dankten es, da sie nun schneller aufs Örtchen konnten.
Mittlerweile erreichten mich so Stück für Stück mehr und mehr Informationen, was für ein Chaos bereits im Vorfeld zum Event abgelaufen war. So erfuhr ich vom Veranstalter, dass von der Stadt aus z.B. keine Deko oder Zelte zum Unterstellen aufgestellt werden durften. Angeblich wegen Fluchtwegen und sowas. Ich habs auch nicht ganz verstanden. Der andere Knaller war, dass eine Woche, bevor das Ding starten sollte, die Stadt extreme Maßnahmen ergriff und die Teilnehmeranzahl auf ein erhebliches Maß runterschraubte. Deswegen musste es auch offiziell AUSVERKAUFT lauten. Klang nach einer 1A Geschäftsschädigung.
An der Tür wurde dann auch mit Lichtschranke versucht, peinlichst genau die Teilnehmeranzahl festzuhalten, damit auch ja keiner zu viel reinkommt. Zu dumm nur, wenn man die eigene Technik nicht bedienen kann, und auch jeder grüne Schlumpf, der rein und herausgeht, mitgezählt wird. Mit all diesen Schikanen und nur unter Präsenz der Staatsmacht durfte das Ganze dann auch stattfinden. Damit hat sich die Stadt Koblenz ein echtes Armutszeugnis ausgestellt. Anstatt froh zu sein, dass solch ein besonderes Event hier stattfand und ein Highlight sein sollte, wurde das ganze als eine Art kriminelle Zusammenkunft behandelt und den Veranstaltern wir auch den Besuchern das Leben schwer gemacht.
Glaubt mir: Wäre das Love Family Castle so gelaufen wie geplant, dann wäre es auch mit Regen ein mega dickes Ding geworden. Ach ja, der Regen… ja, es schüttete gut aus allen Löchern, aber viele hat das nicht interessiert, es wurde einfach weiter gefeiert oder sich schön kuschelig unter einen Regenschirm gestellt. Ja, so was kann ganz witzig sein…. auf jeden Fall. Na ja, nass war danach zwar dennoch fast alles, aber wen kratzt das, wenn die Musik da ist. So wurde nach dem Regen wieder losgewackelt und ein Abstecher in den Housefloor gemacht. Und dies lohnte sich, denn Marc Bean und Tobi Neumann etwas später ließen es dick fett grooven.
Im Ganzen war die Musik wieder mal echt fett. Sven hat mir zwar erst am Schluss so richtig gefallen, aber das sind ja immer so die Geschmacksfragen. Gerockt hat es jedenfalls da vorne richtig, und Matsch hin, Matsch her, die Leute hatten Ihren Spaß. Regen und Schlumpfattacke waren ganz vorne in der Menge vergessen. Außerdem getraute sich irgendwie auch keiner der Schlümpfe so richtig weit nach vorne. Tja, der Raver, das unbekannte Wesen.
Scheinbar bekommen die in Ihren Schulungen nur verpasst, dass der Raver jede Menge Drogen konsumiert. Aber es hat Ihnen wohl keiner gesagt, dass eine Masse, welche kollektiv sich der Musik hingibt, nicht zu durchsuchen und ein echt beeindruckender Anblick ist. Das war es auf jeden Fall, und als Sven in der Dunkelheit im Rotlicht noch mal richtig loslegte, war die Stimmung am Kochen. Währenddessen wurden die Wände vom Castle mit Lichteffekten und Bildern verschönert, was echt ein ganz anderes Flair rüberbrachte als im Hellen.
Während Sven die letzten Platten spielte und wir uns die ersten Hochrechnungen der Wahl besorgten und heiß diskutierten, wurde es aber doch schon gut kalt. Bei der vorletzten Platte machten wir uns dann auch auf den Weg Richtung Auto. Jetzt war es nur noch die Frage: Was kommt jetzt noch??? Nach dem ganzen Brimborium und dem Aufstand der Schlümpfe kommt doch garantiert noch eine Autokontrolle. Ja, so war es dann auch. Super, darauf hab ich mich echt gefreut, als ob ich nicht schon lang genug den Anblick in grün ertragen musste. Ich also angehalten und denen, ohne dass die was gesagt haben, schon mal meine Papiere in die Hand gedrückt.
Polizistin: Haben sie was getrunken?
Ich: Ähmmm, ja grade eben so ne Müller Schoko Coco Milch.
Polizistin: Haben sie Drogen genommen?
Ich: Ja, den ganzen Tag.
Das erwiderte ich im frech provozierenden Ton. Mann, da hab ich das Schlumpfinchen, was mich kontrollierte, wohl ein bisschen sauer gemacht. Sie erwiderte, dass sie vielleicht ja auch die Musik mögen würde, aber sie nun mal nur Ihren Job mache. Worauf ich sagte, sie solle es nicht persönlich nehmen, denn das ist mir bewusst. Ich aber für die Polizei-Show, welche da oben auf der Burg abgelaufen war, ziemlich sauer bin.
Ich fragte, ob denn dies echt nötig war, so einen Aufmarsch dort zu demonstrieren, und wer das veranlasst hatte und aus welchem Grund. Damit war sie scheinbar nun doch ein wenig überfordert, und ehe sie was sagen konnte stand ein älterer Beamter vor mir, welcher mir zuhörte, während sie mein Kennzeichen überprüfte.
Ich fragte, warum dieser Aufmarsch heute sein musste, welcher in keiner Relation zu der Besucherzahl stand, und ich so etwas noch nie erlebt hätte. Ich meinte, dass man einem voll die Stimmung versaut hatte, weil man ständig aufpassen musste, was man macht, wie man sich bewegt und verhält, um ja nicht auffällig zu sein. Warum immer auf die Technoleute? Ich startete einen Monolog.
Sicher werden auch Drogen genommen, aber die Hip Hop-Kultur hatte da auch stark aufgeholt. Dort wurden auch schon immer Nasen gezogen und sogar Ecstasy hat dort mittlerweile seinen Siegeszug angetreten, was zig Texte offen zeigten. Was sich die Leute auf den Rockkonzerten reinfahren, damit wollen wir gar nicht erst anfangen. Warum also immer nur auf die Technoleute?
Sicher, ich finde es OK, wenn bei solchen Veranstaltungen Autochecks gemacht werden. Ich möchte auch nicht totgefahren werden, nur weil einer druff oder unter Alkohol Auto fahren muss. Aber dann soll man doch die Leute wenigstens zuvor in Ruhe ihre Party feiern und auch die Busse oder Taxis in Ruhe lassen. Aber nein, man wird mit Kontrollen davor, drinnen und danach wie ein Terrorist behandelt. Na danke.
Auf meine Frage, warum dies heute in der Burg so war, bekam ich keine richtige Antwort, und der Polizeibericht am nächsten Tag ergab „nur“ 10 Fahrer unter Drogeneinfluss. Jedenfalls hatte ich mit meinen Aussagen die Beamten recht verdutzt gemacht. Man war es wohl nicht gewohnt, mit solchen Fragen konfrontiert zu werden. Am Ende konnte ich aber friedlich meiner Wege ziehen, sogar ohne dass mein Auto, ich oder meine Begleiterin intensiv kontrolliert wurden. Ganz im Gegensatz zu anderen armen Opfern, die um uns auseinandergenommen wurden. Vielleicht hatte ich die Beamten einfach zu hart zugebabbelt und die wollten mich nur schnell wieder los werden. Sind ja auch nur Menschen.
Grille – 23.09.2002