Das war also Ostern 2017. Und es war so wie immer eigentlich. So gab es im Vorfeld auch dieses Jahr die Diskussionen um das Tanzverbot. Hessen hat in der Übersicht die meisten Regelungen, wenn es um das Tanzverbot geht. Es gibt sogar mehr Tage mit Tanzverbot als in Bayern. Ja, richtig gelesen. Sogar die Bayern und jedes andere Bundesland ist weiter, als wir in Hessen.
Wer mehr dazu wissen möchte, der sollte einfach mal bei Wikipedia in die Übersicht schauen.
Aber etwas ist diesmal anders gewesen. Denn seit diesen Ostern müssen wir uns bekannte Begriffe, anders definieren und beurteilen. Schuld daran sind Aussagen der „neuen“ Pressesprecherin?! eines ehemaligen Clubs, der ab Gründonnerstag über mehrere Tage inkl. Tanzverbot zum Oster-Rave einlud. .. ja klingt irgendwie absurd, oder?
Sie ist nicht nur die Partnerin des ehemaligen Clubbesitzers, sondern auch vom Fach. Sonst ist sie nämlich mit Projekten wie z.B. Rock am Ring im Bereich Public Relations & Marketing beschäftigt. Als scheinbar neues Sprachrohr der von uns gegangenen Club-Legende, bekommen wir beim Thema Tanzverbot völlig neue Einblicke in unsere bisher missverstandene Techno- und Ravekultur, die wir so noch nie wahrgenommen haben. Hier mal ein paar Ihrer Aussagen aus der Presse, zum besagten Oster-Rave:
- Das ist kein Feierpublikum wie bei einem Rave. …Sie wollen Musik hören und chillen..
- Aber eine Tanzveranstaltung ist es nicht, sondern wie bei einem Konzert.
- Wir haben hier nur Künstler, die ihre Musik live kreieren“… Es werden keine Songs von anderen gespielt, deshalb ist der Rave ein Konzert, und die sind erlaubt an Ostern.
Hat sie etwa Recht?
Müssten wir den Begriff elektronische Tanzmusik in elektronische Zuhörmusik ändern?
Klar wir alle wussten doch schon immer, dass die Rave- und Technokultur aus in sich gekehrten Zuhörern besteht, welche den DJ‘s auf Events wie der Mayday, Sonne Mond Sterne, Fusion oder Nature One nur bedächtig lauschen, sie ihren Tee und Gebäck dabei verzehren und den philosophischen Ansatz der Beats auf sich wirken lassen.
Tanzen? Auf Musik, die extra dafür gemacht wurde? Waaas?? Wer macht denn sowas? Also Leute, wir müssen die Geschichte der Technokultur komplett neu schreiben und haben uns seit über 25 Jahren absolut falsch verhalten.
Aber wir sind ja bereit aus unseren Fehlern zu lernen. Wir müssen aufhören zu tanzen, denn das ist völlig falsch. Wir irritieren den DJ oder Live Act ja total bei seinem kreativen Tun. Mein Gott, wie müssen die Künstler all die Jahre darunter gelitten haben, dass wir nicht einfach nur still dastanden und der Musik zuhörten. Wie viele Psychosen haben wir mit unserem destruktiven Verhalten wohl bei diesen Menschen ausgelöst. Ich bin untröstlich und möchte mich an diese Stelle bei allen Künstlern entschuldigen, bei denen ich zu Ihrer Musik tanzte.
Also mir tut es einfach nur leid. Ich konnte ja nicht wissen, dass ich diese Musik und Kultur dahinter so falsch verstanden habe. Aber, wenn Busladungen voller Zuhör-Raver aus ganz Deutschland zu dieser Party.. oh upps ähmm … diesem „Konzert“ anreisen, um dann andächtig und gechillt der Musik der Technokünstler über mehrere Tage zu zuhören, dann muss ich wohl all die Jahre völlig fehlgeleitet gewesen sein.
*Ironie off
So .. nun mal Spaß bei Seite. Gerne kann die Hardcorefanbase mich dafür haten oder was auch immer. Aber, man muss sich diese Aussagen mal im Kontext Techno, Rave-Kultur und Tanzverbot auf der Zunge zergehen lassen. Vor allem der letzte Punkt, der aufgeführten Zitate, ist eine glatte Lüge.
Denn die wenigsten von den Acts des „Oster-Rave“, spielten „LIVE“ im Sinne eines Live Acts oder einer Band. Der Großteil waren „normale“ DJs, welche selbstverständlich Songs/Tracks von anderen spielten und ineinander mixten.
Was man hier der Presse als Gesamtbild auftischte, ist wahrlich alles anders, als die Wahrheit. Die Motivation dahinter ist allerdings klar. Um aus der Schlusslinie des Tanzverbots zu gelangen wurde hier die Techno- und Ravekultur ad absurdum geführt und ein Schlag in die Fresse verpasst. Aua…
Schade nur, dass man eben genau diesem Gesamtbild in der Presse auch noch eine Plattform gab. Dabei hätte man sich viel besser und intensiver mit den überzogenen hessischen Feiertagsgesetzen auseinander setzen können.
Just my 2 cents.
Euer Grille
Anmerkung: Dieser Kommentar spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider.
2 Kommentare
Ich war nicht da, weiß also auch nicht, was da für Musik gespielt wurde. Aber es gibt ja wohl zweifelsohne chillige, elektronische Musik, die tatsächlich nicht zum tanzen, sondern „surprise, surprise“ zum chillen ist. Auch wenn heute nicht mehr wirklich verbreitet, gehörte der Chill-Out tatsächlich mal zur Rave und Techno Kultur. Das wird vermutlich auf die genannte Veranstaltung nicht zugetroffen haben, wie gesagt, ich war nicht da, aber der Text da oben liest sich in seiner Absolutheit, als hätte es Ambient und co. nie gegeben.
Just my 2 cents.
Liebe Vanessa, natürlich ist der Chill Out-Sound ein wichtiger Faktor im Kosmos „elektronischer Musik“ und auch innerhalb der Rave- und Club-Kultur. Aber hier habe ich explizit „elektronische Tanzmusik“ angesprochen, da auf besagten Event eben Künstler aus eben diesen Segment gebucht waren. Das waren DJs und Live Acts, die mit Ihrem Namen nun mal für „elektronische Tanzmusik“ stehen und nicht für Musik zum Chillen. Entsprechend war nun mal auch die Außendarstellung dieser Veranstaltung und somit sehr konträr zu den Aussagen in der Presse.
Der Genuß von Chill Out, Ambient, Downbeats und ähnlicher Musik, war in Clubs und anderen Events in dafür vorgesehenen Areas mal ausgeprägter. Das stimmt. Aber ab und an gibt es dies noch. So zum Beispiel bei der Dreamscape im MTW. Auf einen extra Floor spielen dann auch Namen, die für genau diesen Sound bekannt sind und zum zum chillen und relaxen einladen
LG Grille