Wer uns über Facebook oder im Toxic Family-Newsletter verfolgt hat, der wird vielleicht schon einmal mitbekommen haben, dass wir das Thema Polizeikontrollen in Offenbach vor Clubs & Open Air-Events immer mal wieder zum Thema hatten. Denn seit 2012 entwickelten sich solche Kontrollen von ganz normalen Partygängern in ihrer Art und Weise sowie Anzahl sehr zum Negativen.
In unseren Umfragen zum Jahr 2013/2014 belegten diese Polizeikontrollen in der Kategorie „Abtörn“ den jeweils 1. Platz bei unserer Community.
Seit 2013 sammelten wir diesbezüglich auch Betroffenenberichte. In diesen wurden zum Teil unfassbare Zustände bei Kontrollen auf offener Straße oder von Taxis beschrieben. Daraus wurde auch ein Projekt für einen Infoflyer geboren, welcher in Zusammenarbeit mit Alice Project, Clubs am Main und der Toxic Family ausgearbeitet und mittlweile veröffentlich wurde.
Unter dem Titel: Polizeikontrolle – Was tun? Informationen und Hilfestellung für den Fall der Fälle kann man sich darüber Informieren, welche Rechte und Pflichten man bei solch einer Kontrolle hat.
Lange hat es gedauert, doch nun hat endlich ein Geschädigter einer solchen überzogenen Kontrolle Gegenmaßnahmen ergriffen und geht vor Gericht. Dies berichten das Journal Frankfurt und die Frankfurter Rundschau. Hier ein paar Auszüge aus den Beiträgen.
Im Mittelpunkt wird die Frage stehen, ob die beiden Polizisten an diesem Morgen rechtmäßig gehandelt haben. Denn Aigner (Name von der Redaktion geändert) musste sich nicht nur ausweisen, sondern wurde auch durchsucht. Er käme schließlich aus einer Ecke, die bekannt dafür sei, dass dort mit Drogen gehandelt würde, und müsse sich das gefallen lassen, erwiderten die Beamten auf seine Frage nach der Rechtsgrundlage. Man mache das in dieser Gegend ständig und finde auch immer was. Falls er die Prozedur nicht über sich ergehen lasse, könne man ihn auch mit auf die Wache nehmen. Als sich Aigner weiter beschwerte, soll einer der Polizisten des 2. Polizeireviers auf seine Dienstpistole gezeigt haben: „Das ist hier üblich. Willkommen in Offenbach“, sei die lapidare Ansage gewesen.
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Es habe Fälle gegeben, bei denen sich Kontrollierte auf offener Straße hätten entkleiden müssen. Meistens ohne konkrete Verdachtsmomente. „Als Begründung höre ich dann von den Beamten, dass wir hier an einem verrufenen Ort seien.“
In der Stellungnahme des Polizeipräsidiums Südosthessen zu Aigners Klage, die der FR vorliegt, klingt das nüchterner. Demnach sei am 12. Juli eine „verdachts- und ereignisunabhängige Personen- und Fahrzeugkontrolle“ durchgeführt worden. Als Ermächtigungsgrundlage dient Paragraph 18 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG), die unter anderem anlasslose Personenkontrollen an Orten erlaubt, an denen „erfahrungsgemäß anzunehmen ist“, dass dort „Personen Straftaten mit erheblicher Bedeutung verabreden, vorbereiten oder verüben.“
Quelle: Frankfurter Rundschau
Seine Geschichte sei kein Einzelfall. Er berichtet, dass ihm inzwischen etliche Gäste des Robert Johnson und des Hafen 2 von übertriebenen Polizeikontrollen erzählt haben. Daher hat er nun eine Fortsetzungsfeststellungsklage gegen das zuständige 2. Revier in Offenbach eingereicht. Damit soll geprüft werden, ob das Handeln der Polizei zulässig ist. Dass bisher nicht weitere Betroffene seinem Beispiel gefolgt sind, liege an den Kosten. „Man muss rund 1300 Euro zahlen. Das hält viele davon ab“, so Fischer. Ihm sei es aber wichtig, die Kontrollpraxis der Polizei hinterfragen zu lassen. Denn er vermute, dass dahinter eine Strategie steckt.
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Klaus Unkelbach, Inhaber des Robert Johnson sowie des Club MTW, der im gleichen Gebäude untergebracht ist, beschäftigt sich schon länger mit der Thematik. Er betont, dass er nichts gegen Drogenkontrollen habe. Aber: Die Art und Weise sei auch seiner Meinung nach unverhältnismäßig und oft rechtswidrig. Er kontaktierte den Polizeipräsidenten wegen der Situation bereits im Sommer 2014, nach einem einschneidenden Erlebnis. „Getränkevertreter wurden vor Öffnung des Clubs kontrolliert und es wurde ihnen bis in die Unterhose geleuchtet“, berichtet er.
Quelle: Journal Frankfurt
In Anbetracht der neuen Entwicklung möchten wir die Aussagen zu den Kontrollen untermauern. Denn das Vorgehen und die pauschale Kriminalisierung aller Clubgänger ist einfach nur unverhältnissmäßig. Somit veröffentlichen wir hier an der Stelle ein paar Auszüge, von den uns zugesendeten Betroffenenberichten aus den letzten Jahren. 2013 hatten wir einen Aufruf in unserem Newsletter und per Facebook gestartet und darum gebeten uns über eben solche unverhältnismäßigen Kontrollen zu berichten. Hier nun ein paar anonyme Auzüge aus den Einsendungen, die wir seit 2013 gesammelt haben. Solche Berichte sind leider auch im Jahr 2015 immernoch an der Tagesordnung gewesen.
- Am 03. August wollten wir gemütlich gegen 15 Uhr zu Frühsport auf dem Gelände neben dem MTW. … Kurz vor dem MTW standen die bereits erwähnten 2 Zivilbeamten neben ihrem silbernen Auto und nahmen uns 3 sofort in die Zange. Uns wurde lediglich ein Aufnäher der Polizei als Erkennungszeichen unter die Augen gehalten. Bei der Kontrolle wurden unsere persönlichen Sachen durchsucht und des weiteren mir und der anderen jungen Frau ohne Vorwarnung unter den BH und in den Intimbereich gegriffen. J (w)
- Diesmal fragte mein Freund nach einem entsprechenden Dienstausweis, worauf uns nur wieder ein Patch der Polizei wie beim letzten Mal unter die Nase gehalten wurde. Daraufhin wollte fragte mein Freund nochmals nach einem Ausweis mit entsprechender Dienstnummer. … ,,hätte ich sonst sowas wenn ich kein echter Beamter wäre“ und schob sein Shirt hoch, sodass man seine Waffe sehen konnte. J (w)
- Mir wurde in keinster Weise, selbst auf Nachfrage, erklärt wie sich das alles nun rechtlich verhält etc. Stattdessen wurde ich schon fast genötigt die Unterlagen zu unterzeichnen, worauf mein Freund mich hinwies, dass ich das vor Ort nicht machen muss. Der Umgang(ston) war echt mehr als fragwürdig. J (w)
- Die Polizisten griff mir IN den Slip und berührte mich an Stellen, an denen sie nun wirklich nichts verloren hatte. M (w)
- ich musste meine tasche auf dem boden ausleeren, schuhe ausziehen, t-shirt hochmachen und wurde mit gummihandschuhen ganz genau an bh und hose durchsucht.die jacke musste ich ausziehen. die haare wurden mir durchgeschüttelt. das volle programm. sonntag mittag am ledermuseum, ganz schön viele zuschauer und kinder um uns rum. … dann ist man richtung kingka beach gelaufen.. dort gibt es ja nur einen weg, da standen alle 5 meter zivis und haben im minutentakt gesagt : personenkontrolle … jeder der gekommen ist, meinte er wurde 3 mal kontrolliert. und drin meinten die meisten: oh der zivi hier drin hat mich draußen schon kontrolliert ..also waren plötzlich auch alle auf dem festivalgelände. beim rausgehen alles noch 10 mal schlimmer und original unten haben sie alle taxis vom kingka rausgezogen und gefilzt.
- Meine Freundin war bei Tanz im Sand: Sie sagt die haben ihre Tasche einfach umgedreht und ausgeleert und ihr Handy ist auf den Boden gefallen und fast kaputt gegangen. Sie wurde auch 2 mal kontrolliert.- Nichts gefunden!
- Was mich an der ganzen Sache aber am meisten gegen den Strich ging, war die Art und Weise, wie wir von den drei Polizeibeamten behandelt wurden. Nicht nur, dass wir fast menschenverachtend bis auf den letzten Zentimeter Haut betastet wurden. Das dringt schon ziemlich tief in die Privatssphäre eines Menschen ein. So wurde mein schwuler Freund hinter, vor und um sein Geschlechtsteil und bis in seinen After hinein betastet. K (w)
- Wir waren zu fünft auf dem Weg zum Beachclub in OF zum Open Air mit Väth, als uns die Polizei aufhielt. Wir (alle um die 40 Jahre, zu Fuß unterwegs und absolut nüchtern) wurden auf offener Straße komplett durchsucht. Mussten unsere Schuhe ausziehen, Socken ausziehen, sie nach links drehen und dann, und das ist der Hammer!, die Hose öffnen und der Beamte sah in unsere Unterhosen, vorne wie hinten. Die Scham, die die meisten Menschen damit haben, das vor fremden Menschen tun zu müssen, ist unbeschreiblich. V(m)
- Ein Freund und ich wurden auf dem Weg dorthin von zwei Zivilpolizisten sehr genau abgetastet, Beutel und Geldbeutel komplett auseinandergenommen, genauso wie sämtliche Taschen. Die Personalien wurden geprüft, ohne jeglichen Grund, nur weil wir auf dem Weg waren. Nicht weiter tragisch in unserem Fall. Bekannte von uns kamen später nach, es waren zwei Jungs aus Holland mit etwas Akzent, sowie ein Deutscher und eine Südamerikanerin. Die zwei Jungs aus Holland, die zum ersten Mal im Rhein-Main-Gebiet zu Besuch waren, wurden dermaßen gefilzt, dass sie sogar die Boxershort nach vorn öffnen mussten… A (m)
- Als ich gegen 10.30 Uhr mit dem Taxi am Gelände vorfuhr, wurde ich mittels rüdem Tonfall und Polizeikellengewinke aus dem Taxi gezogen und ohne weitere Erklärung von einem Polizisten in Zivil durchsucht. Hierbei ließ man mich ein Stück in einen Waldweg hineingehen, wo ich meine Sachen aus Turnbeutel und Hosentaschen auf den Boden legen und mir sogar in die Boxershort schauen lassen musste. N (m)
Wir wollen auch weiterhin versuchen den Aufbau einer Dokumentation zur Kontrollpraxis der Polizei aufzubauen. So könnt Ihr uns auch weiterhin aus dem Ruder gelaufene Kontrollsituationen unter s.to-fa.de/kontrollmeldung an uns berichten.
Link: Frankfurter Rundschau
Link: Journal Frankfurt
Link: Polizeikontrolle – Was tun? Informationen und Hilfestellung für den Fall der Fälle