Das Musik-Streaming-Projekt Boiler Room wurde im März 2010 von dem britischen Herausgeber Blaise Bellville gegründet. Ursprünglich startete die Plattform mit wöchentlichen DJ-Sets, die für das E-Zine Plattform auf Ustream gestreamt wurden. Die Aufnahmen fanden in einem einfachen Heizkeller in London statt, der als „Boiler Room“ bekannt wurde. Diese intime Umgebung bot Künstlern der elektronischen Underground-Szene eine authentische Bühne. Heute ist Boiler Room eine riesige Marke und weltweit aktiv. Zuletzt fand in Frankfurt im November 2024 ein Boiler Room-Event statt, das an zwei Tagen im Zoom, also dem ehemaligen Cocoonclub stattfand.
Die Plattform, die einst kleine Underground-Partys weltweit streamte, bot mittlerweile unzähligen Künstlern eine globale Bühne und brachte eine authentische Musikszene zu den Zuschauern. Kritiker bemängeln allerdings, dass mit dem Wachstum des Formats die Selbstdarstellung der DJs immer stärker in den Vordergrund rückte. Obwohl die ikonische Kameraperspektive, die den Künstler von vorne zeigt, perfekt für Performanceshows geeignet ist, verlagert sich dadurch gerne der Fokus von der Musik hin zur reinen Show. Zudem führt die Anordnung im Zusammenspiel mit dem Publikum zu einer „Instagram-Ästhetik“, die besonders bei einem jungen, social-media-affinen Publikum den Zeitgeist widerspiegelt.
Trotz dieser Kritik bleibt Boiler Room ein bedeutendes Element in der Musikszene. Die Plattform hat zahlreichen Künstlern auf den internationalen Märkten bekannter gemacht und bietet nach wie vor eine einzigartige Bühne für innovative Musik. Diese Balance zwischen kommerziellem Erfolg und kultureller Relevanz macht Boiler Room zu einem Akteur, der die Entwicklung der Clubkultur maßgeblich beeinflusst hat – wenn auch nicht immer zum Positiven.
Wem gehört Boiler Room?
Im Jahr 2021 wurde Boiler Room von der Ticketplattform DICE übernommen. Anschließend gelangte das Unternehmen im Januar 2025 in den Besitz von Superstruct Entertainment, einem Betreiber von über 80 Festivals weltweit. Hier eine kleine Übersicht:
Elektronische Musik und digitale Erlebnisse:
- Boiler Room: Streaming-Plattform für elektronische Musik.
- DGTL: Festival für elektronische Musik in den Niederlanden.
- Mysteryland: Eines der traditionsreichsten Festivals für elektronische Musik.
- Brunch Electronik: Events mit entspanntem Club-Feeling.
- Sónar Barcelona: Festival an der Schnittstelle von Musik, digitaler Kunst und Technologie.
- Flow Festival: Ein vielseitiges Event in Finnland mit starkem elektronischen Fokus.
- Defqon.1: Ein großes Hardstyle- und Techno-Festival in den Niederlanden.
- Awakenings: Ein renommiertes Techno-Festival ebenfalls in den Niederlanden.
- Thunderdome: Ein legendäres Hardcore-Techno-Event.
- Parookaville: Deutschlands größtes Festival für elektronische Tanzmusik.
Festivals und Events aus anderen Genres:
- Wacken Open Air: Das größte Heavy-Metal-Festival der Welt.
- Sziget Festival: Ein riesiges Pop- und Rock-Festival in Budapest.
- Mighty Hoopla: Ein Londoner Pop-Festival mit diversen Acts.
- Cross the Tracks: Ein genreübergreifendes, familienfreundliches Festival in Großbritannien.
- Boardmasters: Ein Festival, das Musik mit Surfkultur verbindet.
- Bluedot Festival: Eine Veranstaltung in England, die Musik, Wissenschaft und Kultur vereint.
Superstruct betreibt darüber hinaus Dienstleistungen rund um Festivals, etwa Reise- und Unterkunftsangebote. Durch dieses breite Portfolio hat Superstruct eine recht dominante Stellung im globalen Festivalmarkt erlangt.
Das Problem ist jedoch, dass Superstruct im Juni 2024 für 1,3 Milliarden Euro von dem Investor KKR (Kohlberg Kravis Roberts) übernommen wurde.
KKR und der Einstieg ins Musikgeschäft
KKR ist eine der größten Investmentfirmen der Welt und vor allem in der Industrie, dem Bereich fossile Energien und der Finanzwelt aktiv. Doch nun hat sich der Konzern mittlerweile auch auf die Musik- und Eventbranche ausgedehnt. Dabei geht es allerdings nicht um kulturelles Interesse, sondern um knallharte Geschäfte: KKR investiert gezielt in profitable Märkte, egal ob Festivals, Ticketing oder Musikrechte. Das zeigt sich auch an einer Allianz mit BMG – Bertelsmann Music Group im Jahr 2021, durch die KKR ins Musikrechtegeschäft einstieg. Zudem war KKR bis 2021 an AlphaTheta (ehemals Pioneer DJ) beteiligt, einem der führenden Unternehmen für DJ-Technik.
Die Bezeichnung von KKR als „Heuschrecke“ ergibt sich aus ihrer Geschäftsphilosophie und den Strategien, die sie bei Übernahmen und Investitionen anwendet. Während KKR zweifellos zu den erfolgreichsten und einflussreichsten Investmentfirmen der Welt gehört, wird ihr Ansatz oft kritisch gesehen, da er häufig auf kurzfristige Gewinne abzielt und dabei die langfristige Stabilität und das Wohlergehen der übernommenen Unternehmen sowie deren Mitarbeiter und Gemeinschaften vernachlässigt. Diese Praktiken haben KKR den Ruf eingebracht, ein aggressiver und teils rücksichtsloser Player im Finanzmarkt zu sein, der primär eigene Interessen über die nachhaltige Entwicklung der von ihnen übernommenen Firmen stellt.
Die Probleme mit KKR
Abseits des Themas Musik ist KKR tief in Branchen verstrickt, die in direktem Widerspruch zu den Werten vieler Musikfans stehen. Besonders aggressiv agiert KKR im Bereich fossiler Energien. Der Konzern hält bedeutende Anteile an Unternehmen, die Öl-, Gas- und Kohleförderung betreiben und aktiv den Ausbau erneuerbarer Energien behindern. Die sind aber essenziell, wenn es um die Energiegewinnung der Zukunft geht. KKR hat in den letzten Jahren Milliarden in Pipeline-Projekte, Fracking-Technologien und fossile Kraftwerke investiert – Sektoren, die massiv zum Klimawandel beitragen. KKR profitiert also direkt durch Umweltzerstörung und klimaschädlichen Industrien.
Auch in der Medienlandschaft verfolgt KKR klare wirtschaftliche und politische Interessen. In Deutschland hält der Konzern 36 % der Anteile am Axel-Springer-Konzern, zu dem unter anderem Bild & Welt gehören – Publikationen, die immer wieder durch hetzerische Kampagnen auffallen. Besonders auffällig waren die konstanten Angriffe auf die Grünen und die erneuerbaren Energien, insbesondere beim Heizungsgesetz. (Mehr dazu im Video unten und bei Lobby Control) „Bild“ und andere Springer-Medien torpedierten gezielt die Pläne zur Energiewende und schürten Ängste in der Bevölkerung, was nicht nur negative Auswirkungen für die Menschen, sondern auch für die Industrie zur Folge hatte. Dieses Vorgehen steht in direktem Zusammenhang mit KKRs Investitionen in fossile Energien, denn eine nachhaltige Politik würde deren Profite schmälern. Der Einfluss von KKR auf den medialen Diskurs zeigt, wie Finanzinvestoren nicht nur versuchen Märkte, sondern auch, die öffentliche Meinung strategisch zu steuern, um eigene wirtschaftliche Interessen zu schützen.
Christian #Stöcker Journalist und Autor (Männer die die Welt verbrennen), erklärt hier in dem 3sat Bericht der Kultur Zeit, wie wir von #NGOs, gekauften Medien und #Populisten getäuscht werden.
Die Zeit der #ErneuerbareEnergie ist längst gekommen. Robert #Habeck hat alles… pic.twitter.com/M9YiOZE98X— BenPro Ⓥ (@BenPro239) November 15, 2024

Warum KKR und elektronische Musik nicht zusammenpassen
Es gibt daher deutliche Widersprüche zwischen der elektronischen Musikszene und einem Finanzriesen wie KKR. Ursprünglich war die elektronische Musik eine Gegenkultur, die Freiheit, Gemeinschaft und künstlerische Innovation in den Mittelpunkt stellte.
Heute setzen sich viele Festivals und Clubs bewusst für Diversität, Gemeinschaft und Nachhaltigkeit ein, somit bestehen zwischen KKR und der elektronischen Musikszene erhebliche Wertekonflikte.
Natürlich hat sich die Zeit seit den Anfängen in den 90s weitergedreht. Mit der Zeit entwickelte sich neben alle den individuellen Herzensprojekten auch eine Art Industrie, in der Festivals, Marken und DJs zu profitablen Produkten wurden. Heute stehen sich in der Szene zwei Welten gegenüber: eine Szene, die den ursprünglichen Spirit von Techno und elektronischer Musik bewahren möchte, und eine zunehmend kommerzialisierte Welt, in der Gewinnmaximierung im Vordergrund steht. KKR verkörpert diesen kommerziellen Ansatz als Investmentfirma, die primär an Rendite statt an kulturellem Wert interessiert ist.
Und so bleibt auch die Frage: Wie viel Raum bleibt für die ursprüngliche Subkultur, wenn Investoren die Kontrolle übernehmen? Und wie gehen wir damit um?
Link: Springer-Konzern: Nutzte Hauptaktionär KKR den Medienkonzern für politische Einflussnahme?